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In den letzten beiden Wochen habe ich mich intensiv mit dem Journaling beschäftigt. Davor auch immer mal wieder, aber noch nie so ausgiebig und bewusst. Es gefällt mir sehr!

Wenn beim klassischen Tagebuch meist Ereignisse des Tages festgehalten werden, geht es beim Journaling vor allem um Selbstreflexion, das Verständnis der eigenen Gedanken und Gefühle sowie die persönliche Entwicklung.

Dabei sind mir einige Dinge aufgefallen, die beim Journaling wie innere Wegweiser für den eigenen Entwicklungsweg dienen. Jedes davon hat seine eigene besondere Rolle – unterstützend, aber teilweise auch herausfordernd.

7 Eigenschaften, die dir beim Journaln helfen

Du kannst dir ein Notizbuch und einen Stift schnappen und etwas aufschreiben. Doch macht es einen großen Unterschied, ob du dabei nur die Gedanken notierst, die ohnehin ständig präsent und an der Oberfläche sind, oder ob du wirklich in die tiefsten und dunkelsten Ecken deines Inneren eintauchst.

Ehrlichkeit

Das allerwichtigste beim Journaling ist Ehrlichkeit. Es nützt nichts, wenn du dir selbst etwas vormachst. Dein Journal soll kein Tagebuch für andere sein, sondern ein Zuhause für dich selbst.

Nur wenn du dir erlaubst, ehrlich all deine Gefühle und Gedanken zu reflektieren, kann die Magie beginnen. Dann entfaltet sich die transformierende Kraft des Journalings und du kannst wertvolle Erkenntnisse gewinnen, statt dich nur in schönen Geschichten zu verlieren.

Doch Ehrlichkeit ist selten bequem und tut auch manchmal weh. Deshalb wirst du vermutlich anfangs häufig einen mittelgroßen inneren Widerstand spüren. Vielleicht schreibst du zu Beginn eher das, von dem du glaubst, dass du es fühlen solltest, als das, was dich wirklich im Innern bewegt. Es braucht Übung, dir selbst nichts vorzumachen. Aber es lohnt sich.

Die Wahrheit darf roh und absolut unzensiert sein – sie ist nur für dich!

Mut

Um ehrlich zu dir selbst zu sein, braucht es Mut – manchmal eine ganze Menge!

Es ist leicht, schöne Dinge zu notieren. Aber so viel schwerer unangenehme Gedanken zuzulassen oder Tabus zu brechen. Journaling ist ein stiller, aber absolut mutiger Akt: Du schaust dahin, wo du sonst lieber wegsiehst oder zu den Dingen, die du in den tiefsten Winkeln deines Kopfs vergraben hast.

Es braucht Mut, sich nicht mit Oberflächlichkeiten zufrieden zu geben, sondern in die dunkelsten Ecken des eigenen Denkens einzutauchen. Und noch mehr Mut, das, was du dort findest, an die Oberfläche zu bringen.

Ein immer wiederkehrender Begleiter ist hierbei die Angst vor dem, was du entdecken könntest. Manche Themen fühlen sich einfach „zu groß“ oder „zu düster“ an. Deshalb erlaube dir kleine Schritte zu gehen. Du musst nicht alles auf einmal aussprechen.

Vertrauen

Damit Ehrlichkeit und Mut nicht überfordern, braucht es Vertrauen in vielerlei Hinsicht. Vertrauen in dich selbst und in deine innere Stimme, aber auch in den Prozess, der sich entfaltet.

Es geht darum, dass du darauf vertraust, dass sich zeigt, was sich zeigen will. Und darum, dass du nicht sofort Lösungen erwartest, sondern dich auf den Weg einlässt. Vertrauen erlaubt es, Unordnung stehen zu lassen und weiter zu schreiben.

Natürlich kommen immer wieder Zweifel auf à la „Bringt das überhaupt etwas?“ oder „Mache ich das richtig?“. Zum einen gibt es beim Journaling aber gar kein „richtig“ oder „falsch“. Zum anderen heißt Vertrauen hier auch, dem Nicht-Wissen Raum zu geben.

Das Journal ist kein Test, den du bestehen musst, sondern ein Spiegel deiner innersten Gefühle und Gedanken.

Geduld

Sehr wichtig, aber für mich persönlich ziemlich schwer, ist es geduldig zu sein.

Es nützt nichts, dich selbst zu drängen. Dadurch gerätst du leicht in ein Leistungs- oder Selbstoptimierungsdenken – und dabei geht es beim Journaling überhaupt nicht.

Gib dir selbst Zeit, auch wenn du erstmal keine sichtbaren Ergebnisse erkennst und dich gefühlt nur im Kreis drehst. Mit Geduld entstehen über Wochen und Monate hinweg Einsichten, die du in einem Schnelldurchlauf nie erreichen würdest.

Vermutlich werden sich irgendwann Sätze dazwischen mogeln wie „Warum bin ich noch nicht weiter?“ oder „Warum hilft das (immer noch) nicht?“.

Mach dir eines bewusst: Gedanken brauchen Wiederholung und müssen oft mehrfach in unterschiedlicher Weise gedacht werden. Auch echte Gefühle benötigen Zeit, um ehrlich ausgedrückt werden zu können. Erst, wenn du alles mehrfach durchlaufen hast, fängst du an Muster zu erkennen – das funktioniert nicht im Zeitraffer.

Offenheit

Offenheit bringt Weite und Vielfalt in dein Journaling. Sie lädt dich ein, Fragen zu stellen, die du dir sonst nicht erlauben würdest, und macht dein Journal zu einem Ort, an dem du neue Seiten von dir entdecken kannst.

Offenheit bedeutet, nichts ausschließen zu müssen. Nicht nur Schönes darf in dein Journal, sondern auch Widersprüchliches, Unfertiges oder gar Schmerzhaftes. Es ist ein Ort, an dem alles einen Platz haben darf.

Gleichzeitig verlangt Offenheit, auch Dinge zuzulassen, die ungeordnet oder irrational wirken. Und manches Mal, machen sie dir vielleicht auch Angst. Doch gerade in diesen Dingen liegen oft die wahren Schätze.

Hab also Geduld mit dem Prozess, aber vor allem auch mit dir selbst. Vielleicht schaffst du es nicht sofort über bestimmte Themen zu schreiben, aber irgendwann kommt ein winziges erstes Wort an die Oberfläche, dann ein Satz und irgendwann schreibst du einfach drauf los.

>> Wenn Themen viel zu schwer wiegen, um darüber zu schreiben

Wohlwollen

Eine freundliche Haltung dir selbst gegenüber, auch dann – oder besser: gerade dann – wenn du dich in Schwächen, Zweifeln oder Widersprüchen erlebst, ist essentiell.

Ohne Wohlwollen wird Offenheit und Ehrlichkeit schnell zur Selbstkritik, mit Wohlwollen hingegen zu echter Selbstannahme.

Wenn du dir selbst nicht wohlwollend begegnest und einen inneren Raum der Freundlichkeit schaffst, wird dir Journaling nicht helfen, im Gegenteil: Du wirst einen unnötigen Druck in dir spüren. Einerseits möchtest du offen und ehrlich mit dir selbst sein, andererseits wirst du pausenlos von einer inneren Stimme kritisiert.

Viele schreiben, um sich zu analysieren, nicht um sich zu verstehen. Wohlwollen bedeutet auch: Nicht jede Schwäche ist ein Problem, das gelöst werden muss. Hör dir erstmal absolut freundlich zu, ganz ohne zu urteilen.

Entdeckerfreude

Was nicht unbedingt nötig ist beim Journaling, ich aber besonders gerne mag, ist die Entdeckerfreude. Das hat so ein bisschen mit kindlicher Neugier zu tun und wenn sie da ist, verleiht es dem Ganzen eine gewisse Leichtigkeit und Verspieltheit.

Entdeckerfreude lässt das Journaling lebendig werden. Sie befeuert die Freude, sich selbst neu zu entdecken, eigene Muster zu erkennen und vor allem auch überrascht zu werden. Sie hilft Probleme zu lösen, stellt aber auch neue Fragen und macht das Journal zu einem wertvollen Begleiter.

Wichtig ist dabei, nicht zu analytisch ans Journaling ranzugehen und sofort alles verstehen zu wollen – das widerspricht der unbändigen kindlichen Neugier. Entdeckerfreude gedeiht am besten in Offenheit, nicht in Kontrolle.

Was das für dich bedeutet

Wenn du mit dem Journaling anfangen möchtest, solltest du eine Sache verstehen:

Journaling ist kein Technik-, sondern ein Haltungsprozess.

Wenn du dich nur fragst „Wie journale ich richtig?“ oder „Was soll ich schreiben?“, übersiehst du das Wesentliche: Das „Wie“ oder „Was“ ist zweitrangig. Viel entscheidender ist, mit welcher inneren Haltung du an das Journaling herangehst.

1. Fang nicht mit der perfekten Methode an – fang mit dir an.

Um zu journaln brauchst du keine ausgeklügelten Vorlagen, keine Bullet-Journal-Technik, kein schickes Notizbuch oder einen fancy Stift.

Was du brauchst, ist der Wille, dir selbst zu begegnen und zuzuhören – mit Mut, Ehrlichkeit und Wohlwollen.

💡 Starte klein. Vielleicht mit einem Satz pro Tag. Aber schreibe ihn so ehrlich wie möglich.

2. Erwarte keine schnellen Durchbrüche – erlaube dir Zeit.

Journaling wirkt nicht wie ein Patentrezept, dass dir sofort Ergebnisse liefert. Vielmehr ist es ein langsamer Reifungsprozess. Ohne Geduld, Vertrauen und Wohlwollen wirst du schnell frustriert sein, wenn sich nicht sofort etwas „verändert“.

💡 Bleib dran. Nimm dir regelmäßig wenige Minuten Zeit – und bewerte nicht jedes Ergebnis.

3. Lass dein Journal ein sicherer Ort sein – nicht eine Bühne.

Viele scheitern, weil sie sich selbst zensieren oder meinen, ihr Journal müsse „schön“, „klug“ oder „sinnvoll“ sein.

In Zeiten von Social Media und dem permanenten Gefühl ständig überall präsent und sichtbar zu sein, sind wir es fast nicht mehr gewohnt, etwas nur für uns zu tun. Entsprechend traust du dich nicht, die Dinge offen und ehrlich aufzuschreiben.

Doch ohne Offenheit und Ehrlichkeit bleibt alles an der Oberfläche.

💡 Schreib, als würde es nie jemand lesen. Es geht nicht um irgendwelche Leser, es geht um dich!

Entdeckerfreude ist kein Muss, aber ein Geschenk. Durch sie wird Journaling leicht und spannend. Wenn du die anderen Eigenschaften lebst, kommt sie meist ganz von alleine.

Gedanken zum Schluss

Du siehst: Journaling ist weit mehr als das bloße Festhalten von Gedanken. Es ist eine Einladung zur Begegnung mit dir selbst. Dafür braucht es keine perfekten Methoden oder ausgefallene Notizbücher, sondern eine bestimmte innere Haltung.

Es geht nicht darum, schnelle Ergebnisse zu erzielen, sondern darum Klarheit zu erlangen und dich persönlich zu entwickeln. Mut, Ehrlichkeit und Geduld legen hier das Fundament.

Vertrauen wiederum hilft dir durch Höhen und Tiefen – vorallem an Tagen, an denen deine Gedanken leer erscheinen oder der innere Kritiker besonders laut ist. Offenheit macht dein Journal zu einem lebendigen Raum, in dem alles möglich ist und mit Wohlwollen gibst du dir die Erlaubnis, unvollkommen zu sein.

Entdeckerfreude bringt etwas Leichtes ins Journaling, etwas Kindliches, etwas, das dich staunen lässt, was sich in wenigen Minuten auf dem Papier entfalten kann.

Wenn du bereit bist, dich mit diesen sieben Eigenschaften auf den Weg zu machen, wirst du früher oder später entdecken, dass Journaling nicht nur Klarheit bringt, sondern auch Verbindung – mit dir selbst, deinen Bedürfnissen, deinen Gedanken und deinem inneren Wachstum.

Journaling ist kein Ziel, sondern ein Weg. Und jeder noch so kurze Eintrag ist ein Schritt auf diesem Weg, der dich mehr zu dir selbst führt.

Es geht nicht darum, etwas richtig zu machen, sondern vielmehr darum, dir aufrichtig zu begegnen. Das braucht Mut – und es lohnt sich!

Mehr zu meinen Gedanken, Erfahrungen und Learnings rund ums Journaling, aber auch zu Gelassenheit, Produktivität, Ordnung und tausend anderen Dingen gibt’s regelmäßig auch in meinem Telegramkanal „Not just one thing“.